Christian Putsch

"Der Westen kann nicht mit China konkurrieren"

Christian Putsch
"Der Westen kann nicht mit China konkurrieren"

W. Gyude Moore erlebte das Kräftemessen des Westens mit China in Afrika einst aus der ersten Reihe. In den Jahren 2014 bis 2018 war er Minister für öffentliche Arbeiten in Liberia, inzwischen ist Moore für die US-Denkfabrik “Center for Global Development” (CGD) tätig. Im Interview spricht der renommierte Analyst über den Schock auf dem Kontinent angesichts der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten – und die Gefahr für Afrika, zum Kollateralschaden eines verschärften Handelskonflikts mit China zu werden.

 

FRAGE: Wären sie aktuell gerne wieder Politiker in Liberia, um eine Strategie für die Zusammenarbeit mit Donald Trump auszuarbeiten?
Moore: Ich überlasse das liebend gerne den Leuten, die dafür aktuell verantwortlich sind. Es wird eine sehr turbulente Zeit. Wenn die USA niesen, dann erkältet sich der Rest der Welt. Die Intensität dieser von Trumps Protektionismus verursachten Grippe aber wird variieren. Die Resilienz hängt von der Stärke ab. Und viele afrikanische Volkswirtschaften erholen sich noch immer von Covid, sie leiden mehr als andere Kontinente unter Inflation, den Auswirkungen der Ukraine, Schulden, Infrastrukturmängeln und Ressourcenabhängigkeit. Sie sind also in einer schwachen Position für einen weiteren externen Schock – und Trump ist ein solcher Schock.

 

FRAGE: Wie würden Sie die Reaktion in Afrika beschreiben?
Moore: Bei den Regierungen ist es überwiegend Resignation. Südafrika dürfte besonders besorgt sein. Republikanische Mitglieder im US-Kongress hatten sich für eine Bestrafung des Landes für seine Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof ausgesprochen, etwa durch den Ausschluss aus dem Freihandelsabkommen AGOA mit Afrika, der freien Markzugang sichert. Jetzt, wo die Republikaner wohl den Senat, das Abgeordnetenhaus und die Präsidentschaft haben werden, könnte dieser Ausschluss Realität werden. 

 

FRAGE: Wie wichtig ist AGOA für Afrika?

Moore: Für relativ gut entwickelte Länder wie Südafrika oder auch Kenia ist es sehr wichtig. Für strukturschwächere Nationen erfüllte es dagegen nie die hohen Erwartungen. Im Agrarsektor werden weiterhin Zölle erhoben. Und es müssen mindestens 35 Prozent des Warenwerts von lokalen Materialien und Verarbeitungskosten stammen. Das können viele Länder nur für wenige verarbeitete Produkte bieten. Schließt man ein Land aus, verliert man jedenfalls einen wichtigen Hebel für Einfluss die Politik dieser Nation. Der freie Zugang zum US-Markt war das amerikanische Zuckerbrot, das würde dann wegfallen. Und das käme China zugute.

 

FRAGE: Könnte es eine Motivation für Trump sein, dem enormen chinesischen Einfluss in Afrika effektiver zu begegnen als Biden?

Moore: Das ist ein mögliches Szenario. Trump könnte den Kontinent durchaus als Region betrachten, in der er Chinas Einflusssphäre entgegentritt. Er denkt sehr transaktional, es ist also denkbar, dass er das mit bilateralen Abkommen gezielt versucht. Einfach wird das nicht: China hat kürzlich der Mehrheit der afrikanischen Länder zollfreien Marktzugang zugesagt – und zwar für alle Produkte.

 

FRAGE: Während der ersten Amtszeit hatte man das Gefühl, dass sich Trump letztlich nicht um Afrika geschert hat.

Moore: Afrika macht weniger als ein Prozent des US-Außenhandels aus, ich rechne also nicht mit einem plötzlichen Anstieg des Trump-Interesses. Ein größeres Problem für Afrika werden die enormen Auswirkungen von Trumps Handelskrieg mit China sein, wo die Wirtschaft schon jetzt schwächer ist als während seiner ersten US-Präsidentschaft. China ist Afrikas wichtigster Handelspartner, exportiert dorthin überwiegend Rohstoffe. Geringere Marktzugangsmöglichkeiten für chinesische Firmen werden zu Schließungen afrikanischer Bergwerke führen. Wenn etwa der Kupfermarkt beeinträchtigt wird, ist der Kupferexporteur Sambia in existenziellen Schwierigkeiten.

 

FRAGE: 80 Prozent der Kobaltminen im Kongo, das die größten Reserven der Welt hat, gehören chinesischen Firmen. Sehen Sie die Gefahr, dass dem Westen der Zugang zu kritischen Rohstoffen in Afrika verloren geht?

Moore: Das Problem des Westens liegt in der Unmöglichkeit, mit China zu konkurrieren.

Viele dieser Bergwerkfirmen sind staatlich, die chinesische Regierung kann also auch bei Verlusten bestimmte Investitionen anweisen, absorbiert sie teilweise über Infrastrukturfinanzierung, die ebenfalls über staatliche chinesische Firmen läuft. Das funktioniert bei privaten Firmen des Westens nicht. Zudem gibt es sowohl in den USA als auch Europa strenge Gesetze gegen Korruption. Die ist aber in der Rohstoffindustrie weit verbreitet. Chinesische Firmen sind bereit, dieses Spiel mitzuspielen. Westliche Firmen können das nicht.

 

FRAGE: Was erwarten Sie für die Finanzierung von militärischen Programmen in Afrika?

Moore: Militärisch wird er auf dem Kontinent nichts ändern, das würde keinen Sinn ergeben, wenn man auch in dieser Hinsicht dem chinesischen Einfluss begegnen will.

 

FRAGE: Und der humanitäre Sektor? Die Finanzierung für HIV-Programme oder des Frageernährungsprogramms hängen erheblich von den USA ab.

Moore: Schauen sie in das Handbuch “Projekt 2025”. Es wird die Trump-Präsidentschaft bestimmen, auch wenn er Verbindungen abstreitet.  Zu Afrika werden darin deutlich weniger Hilfsleistungen und ein überwiegender Fokus auf Handel empfohlen. Trump ist weder Fan der UN noch der internationalen Institutionen. Während seiner ersten Amtszeit wollte er in jedem Budget die Posten für Programme massiv kürzen, die Afrika überproportional zugutekommen. Er hatte damals sogar vor, die US-Botschaften auf dem Kontinent zu schließen. Damals wurde vieles nicht umgesetzt, weil die Demokraten die Kontrolle über das Abgeordnetenhaus hatten. Jetzt aber hat Trump die Möglichkeit, mehr durchzusetzen. Wenn Trump Afrika weitgehend ignoriert, ist das wahrscheinlich noch das beste Szenario.

 

FRAGE: Sie sind meiner Eingangsfrage ausgewichen. Wenn Sie heute Politiker in Liberias Regierung wären, wie würden sie reagieren?

Moore: Ich würde gezielt meine Verbindungen zum US-Kongress stärken, wo es weiterhin Abgeordnete gibt, denen an internationaler Entwicklung gelegen ist. Ansonsten würde ich machen, was viele Politiker tun. Der indonesische Präsident hat bei Trump angerufen, Kenias Präsident ein sehr langes Gratulationsschreiben veröffentlicht. Man muss verstehen, dass dieser Mann nicht ideologisch, sondern transaktional denkt. Trump kann heute von diesem, morgen von jenem überzeugt werden. Es hilft, ihn dabei mit Lob zu überschütten. Besonders auf Twitter, wo er es am ehesten mitbekommt.