Afrikas Kämpfer mit der spitzen Feder
Afrika hat eine lebendige Karikaturisten-Szene. In vielen Ländern kämpfen mutige Zeichner gegen die Mächtigen an. Ob in Kenia, Simbabwe, Sudan – oder in Südafrika, wo ein bekannter Zeichner nicht müde wurde, gegen den nun entmachteten Präsidenten Jacob Zuma zu sticheln
Von Christian Putsch
Kapstadt – An seinem schrägen Zeichentisch, wo an den Seiten Farbe verschiedener Jahrzehnte haftet, überlegt Jonathan Shapiro. Wie kann er die Stimmung in Südafrika auf eine Karikatur verknappen? Was überwiegt, die Nachwehen der Korruption unter dem im Februar zurückgetretenen Präsidenten Jacob Zuma? Oder die Aufbruchsstimmung unter Cyril Ramaphosa, dem neuen?
Vor Shapiro, Künstlername „Zapiro“, liegen sechs Stifte und ein Zeichenbuch. Für den international respektierten Ramaphosa verwendet er eine Blume als Symbol des Frühlings. Doch der Duschkopf über Zumas Kopf muss noch einmal rein. Zum ersten Mal verwendete Shapiro dieses Element im Jahr 2006 als Reaktion auf Zumas Aussage, er habe sich nach dem ungeschützten Sex mit einer HIV-positiven Frau mit einer Dusche vor der Ansteckung geschützt. Hunderte Male hat Zapiro seitdem den Duschkopf gemalt, der landesweit zum allgemeinen Symbol von Zumas Korruptionsskandalen wurde.
Seit über 30 Jahren prägt Zapiro die Nation wie kaum ein anderer Vertreter der Zivilgesellschaft. Er ist der wohl bekannteste Vertreter einer äußerst lebendigen Karikaturisten-Szene in Afrika, die seit Jahrzehnten zu den unerschrockensten Kritikern der politischen Elite zählt. Sie fungiert angesichts oft instabiler staatlicher Institutionen als besonders wichtige Kontrollinstanz der Regierenden.
Neben Zapiro hat wohl Godfrey 'Gado' Mwampembwa den größten Einfluss. Der gebürtige Tansanier lebt in Kenia, wo der politische Cartoon besonders lange Tradition hat. Mal legt sich Gado mit religiösen Führern an, mal mit Unternehmern, weit öfter noch mit Politikern. Mehrere Klagen konnten ihn nicht stoppen, ebenso wenig wie die Entlassung durch die „Daily Nation“. Die wichtigste Zeitung des Landes beendete vor zwei Jahren die Zusammenarbeit.
Gado vermutet, dass die Regierung gedroht hatte, nicht länger die für das Blatt überlebenswichtige Anzeigen zu schalten. Der Fall ist vor dem Arbeitsgericht. Inzwischen publiziert der 47-Jährige online und in anderen Zeitungen der Region, aber ohne Festanstellung. „Ich will meine Auftraggeber nicht in die gleiche Situation wie die Daily Nation bringen“, sagt er. Aufhören kommt nicht in Frage: „Pressefreiheit hat man nie erreicht. Man muss sie jeden Tag verteidigen.“
Was Gado für Kenia ist, das ist Tony Namate, 54, für Simbabwe. Anfangs arbeitete er für eine staatliche Zeitung, deren Redakteur die meisten Karikaturen jedoch kopfschüttelnd zurückgab. Er ging zur unabhängigen „Daily News“, wo er sich im Jahr 2002 verbarrikadieren musste, nachdem er sich über die einflussreichen Kriegsveteranen lustig gemacht hatte. Sie wollten das Gebäude stürmen. Kurz darauf ließ der damalige Präsident Robert Mugabe das mutige Blatt ganz verbieten.
Mugabe ist inzwischen Geschichte. „Ich hoffe auf eine neue Generation von Karikaturisten“, sagt Namate. Das Internet bietet da neue Chancen, der Nachwuchs ist anders als er nicht mehr ausschließlich auf Zeitungen angewiesen. Womöglich wird es künftig auch mehr Pressefreiheit im Land geben. Aber was hilft das alles, wenn es nicht zum Überleben reicht? „Das größte Problem ist, dass die Zeitungen weniger Geld als früher haben“, sagt Namate, „das wiegt manchmal schwerer als Zensur.“ Auch in Afrika sind durch die zunehmende Internetverbreitung und schwindende Anzeigenerlöse die Einnahmen der Printmedien massiv eingebrochen.
In anderen Regionen Afrikas aber ist der Job schlicht so gefährlich, dass nur die Arbeit aus dem Exil bleibt. Der Nigerianer Tayo Fatunla dokumentiert von London aus Entwicklungen im einwohnerreichsten Land Afrikas. Seine Cartoons auf der Webseite der „BBC“ erreichen mehrere Millionen in der Heimat. Er lobt die demokratische Entwicklung in der Heimat, dort gebe es „aber noch immer ein Element der Zensur“. Einige Politiker aus Zeiten der Militärherrschaft seien nun in demokratischen Machtpositionen.
Noch massivere Repressalien hätte Khalid Albaih aus dem Sudan zu befürchten. Er lebt mit Hilfe einer Bürgerrechtsorganisation, die sich für Pressefreiheit einsetzt, in Dänemark – seit Beginn des Arabischen Frühlings hat der 37-Jährige fast jeden Tag einen Cartoon veröffentlicht, viele davon wurden Tausende Male im Internet geteilt.
„Karikaturen haben große Kraft“, sagt Albaih, „besonders in der Arabischen Welt mögen die Mächtigen die Satire nicht. Sie fordern Respekt ein, in Wahrheit geht es dabei aber um Angst. In dem Moment, in dem die Leute sich über sie lustig machen, haben sie keine Furcht mehr.“ In dem Moment, wo die Leute sich trauen würden, Karikaturen offen auf den Straßen des Sudans anzuschauen, wisse man, dass der Sturz von Diktator Omar al-Bashir unmittelbar bevorstehe. Bislang aber gebe es noch keine Anzeichen für eine derartige Revolution.
Im demokratischen Südafrika ist Zuma gestürzt, nicht zuletzt wegen ausdauernder Kritiker wie Zapiro. Zweimal verklagte der Politiker den Karikaturisten wegen angeblicher Diffamierung, es ging um umgerechnet mehr als eine Million Euro – ein klarer Versuch, ihn mundtot zu machen und andere Kritiker abzuschrecken. Die Klagen wurden nach sechs Jahren schließlich zurückgezogen, Zapiros Cartoons erscheinen weiter in der südafrikanischen Ausgabe der „Sunday Times“.
Zuma lieferte für Cartoonisten Angriffsfläche wie kaum ein anderer Politiker. Doch man glaubt Zapiro, wenn er sagt, er hoffe auf „weniger Inspiration“ von Ramaphosa: „Ich möchte, dass das Land nach vorne kommt.“ Er versteht sich nicht nur als Cartoonist, sondern auch als Aktivist für gesellschaftlichen Fortschritt.
In den neunziger Jahren, während der Übergangsjahre zur Demokratie, hat Zapiro Ramaphosa persönlich kennengelernt, der an den Verhandlungen mit den letzten Apartheid-Hütern und der Entstehung der neuen Verfassung erheblichen Anteil hatte. Der Künstler war beeindruckt von dem Mann, der später in der Privatwirtschaft rund eine halbe Milliarde Euro verdiente.
„Ich habe Hoffnung für die neue Administration“, sagt Zapiro, „ich war vor seiner Unternehmerkarriere ein großer Ramaphosa-Unterstützer und werde versuchen, wieder einer zu werden. Aber er hat eine Menge Arbeit vor sich, um mich und das Land hinter sich zu bringen.“
Von Ramaphosas Erfolg bei der Entrümpelung von Partei und Staat hängt auch die weitere künstlerische Verwendung des Duschkopfs ab. Ganz verschwinden wird er vorerst nicht, so wie auch Mandela manchmal stellvertretend für die positiven Ideale Südafrikas auftaucht.
Zuma wird nun wohl die gegensätzliche Rolle einnehmen, er steht für alles, was Südafrika zurückhält. Vorerst aber gilt Zapiros Hauptaugenmerk dem neuen Präsidenten. Kurz nachdem dieser vor fünf Jahren wieder in die Politik einstieg, kam einer seiner Freunde zu einer Buchpräsentation des Zeichners und bat ihn, ein Buch für Ramaphosa zu signieren. Er werde es ihm schenken.
„Für Cyril“, schrieb der Künstler, „ich hoffe, der alte Cyril steckt noch irgendwo in Dir.“