Christian Putsch

Wie das Goldpreishoch illegale Goldgräber unter Tage treibt

Christian Putsch
Wie das Goldpreishoch illegale Goldgräber unter Tage treibt

Der Goldpreis stieg rund um die Trump-Wahl auf ein historisches Hoch. Das lockt in Afrika immer mehr illegale Goldgräber unter Tage. Südafrika geht nun so hart wie nie gegen sie vor. In der Kleinstadt Stilfontein belagert die Polizei seit Wochen die Eingänge zu den Schächten, versucht die sogenannten “Zama Zamas” regelrecht auszuhungern. Doch die harren weiter aus

Es ist ein absurdes Belagerungsszenario, das sich seit nunmehr zwei Wochen in Südafrikas Kleinstadt Stilfontein abspielt. Dutzende Polizisten belagern im Schichtdienst klaffende Zugangslöcher eines stillgelegten Bergwerks. Unter Tage befinden sich Hunderte illegale Goldgräber, einige Schätzungen gehen gar von über 4000 aus.

Die meisten harren weiter aus, um ihrer Verhaftung zu entgehen. Dabei hatte die Polizei im Zuge der Operation „Schließt das Loch“ zunächst die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser abgeschnitten. Eine Ministerin drohte gar offen mit ihrer “Ausräucherung”. Es klang wie eine Kriegserklärung.

Erst in den vergangenen Tagen, als die Proteste der Zivilgesellschaft lauter wurden und zudem ein toter Goldgräber geborgen wurde, ließen die Beamten Anwohner passieren, die vereinzelt Lebensmittel und Wasser unter Tage brachten. Den Zugang für Nahrung hat am Samstag auch ein Gericht angeordnet. Eine Polizeisprecherin teilte mit, man nehme das zur Kenntnis, aber man werde weiterhin an den Ausgängen warten und an den Verhaftungen festhalten.

Der Vorgang offenbart eine kaum zu kontrollierende Parallelwelt in Südafrika. Rund 30.000 illegale Bergarbeiter von Gold und anderen Mineralien gibt es in Südafrika, genannt werden sie hier „Zama Zamas“. Die Regierung geht in diesem Jahr so entschieden gegen sie vor wie nie – dafür wurden dafür auch 3300 Soldaten abgestellt. Bis in die 1970er Jahre war das Land der wichtigste Goldproduzent der Welt. Doch die einst unendlich erscheinenden Reserven sind zunehmend erschöpft. 6000 Bergwerke wurden stillgelegt.

Kommerzielle Förderung lohnt sich dort nicht mehr, aber Reste des Goldrausches gibt es noch. Sie locken weiter in die Tiefe, zumal der Goldpreis im Vorfeld der US-Wahlen auf ein Rekordhoch von fast 2800 Dollar pro Feinunze gestiegen war. In den vergangenen Tagen sank er zwar wieder deutlich, das Edelmetall liegt aber seit Jahresbeginn weiterhin rund 24 Prozent im Plus. Global gesehen, schätzt das „Umweltprogramm der Vereinten Nationen“ zusammen mit Interpol, dass der illegale Abbau und Handel mit Mineralien jährlich einen Wert von bis zu 48 Milliarden Dollar hat. Er beträgt rund 20 Prozent der globalen Produktion.

Die meisten Zama Zamas sind mittellose Migranten aus Nachbarländern wie Lesotho, Simbabwe und Mosambik. Doch auch der Anteil der Südafrikaner wächst. Seit der African National Congress (ANC) nach seinen desaströsen Verlusten bei den Wahlen im Mai auf eine Koalition mit der liberalen Democratic Alliance (DA) angewiesen ist, ist die Arbeitslosenquote zwar beachtlich gesunken. Doch mit 32 Prozent gehört sie weiter zu den höchsten der Welt. Und in vielen Bergwerken gab es zuletzt Massenentlassungen. Die Betroffenen sehen oft keine andere Erwerbsmöglichkeit, als ihr Handwerk informell fortzuführen.

Für das harte Vorgehen der Polizei, das in diesem Jahr in vielen Bergbaugegenden Südafrikas zu beobachten ist, gibt es zumindest auf den ersten Blick gute Gründe. Schwerbewaffnete Syndikate liefern sich tödliche Konkurrenzkämpfe um die lukrativsten Schächte. Auch in noch aktive Bergwerke dringen sie vor, dort gibt es immer wieder Schusswechsel mit den Sicherheitsleuten. Derartiges Personal wird immer häufiger eingesetzt, schließlich kalkuliert die Branche allein in Südafrika mit jährlichen Verlusten in Höhe von über einer Milliarde Euro durch das illegale Handwerk.

Auch die unkontrollierten Sprengungen unter Tage, mit denen die Zama Zamas an die winzigen Goldkörner zu kommen versuchen, sorgen für riesige Schäden. Für die eigene Gesundheit der Gräber, von denen laut offiziellen Statistiken jährlich über 100 wegen einstürzender Schächte und Vergiftungen sterben.. Immer wieder sinken deshalb aber auch ganze Straßenabschnitte ab. Auch die Schäden für die Umwelt sind enorm.

Doch David van Wyk von der emsigen südafrikanischen Bürgerrechtsorganisation “Bench Marks Foundation” hält den Einsatz der Polizei nicht mit den moralischen Werten des Landes vereinbar. “So brutal ist die Polizei in der demokratischen Geschichte Südafrikas noch nie gegen Zama Zamas vorgegangen”, sagt er am Telefon. Die nur langsam aufweichende Strategie der Polizei, weder Wasser noch Essen in die Schächte bringen zu lassen, sei “klar verfassungswidrig”.

Für diese Sicht der Dinge gibt es in den sozialen Medien einigen Gegenwind, viele südafrikanische Nutzer befürworten die harte Strategie der Polizei. Van Wyk aber hält den Einsatz für “reine Zeitverschwendung” und Populismus, mit dem der ANC auf seine Stimmverluste bei den Wahlen reagiere. Er erkennt „eine gehörige Portion Fremdenfeindlichkeit“, mit der man auf Stimmenfang gehe. Schließlich seien die meisten Zama Zamas Migranten aus dem Südlichen Afrika, gegen die gerade generell im Land Stimmung gemacht werde. Die meisten von ihnen seien nicht mehr als schlecht bezahlte Handlanger. Einflussreiche Drahtzieher verschone man dagegen.

Auch die Bergbaukonzerne würden nicht zur Verantwortung gezogen, sagt van Wyk. Denn die seien nach dem Ende der Förderung gesetzlich verpflichtet, die Schächte so zu versiegeln, dass ein unrechtmäßiger Zugang unmöglich wird. Das finde aber oft nicht statt. Strafen für Firmen, die ihrer Verpflichtung nicht nachkämen, gebe es nicht. Genau so wenig wie eine staatliche Strategie, in Gegenden mit schwindenden Rohstoffreserven alternative Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen. “Stilfontein ist eine sterbende Stadt”, sagt van Wyk, “und davon gibt es viele.”

An ein Ende der versteckten Schufterei unter Tage glaubt in Südafrika kaum jemand. Darauf deutet schon der Name hin. “Zama Zama” bedeutet in der Sprache der Zulu so viel wie: „Probiere es weiter“.