Verborgene Champions im Kampf gegen die Pandemie
Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie in Afrika fallen besonders Ruanda und der Senegal positiv auf – mit teilweise ungewöhnlichen Methoden.
Die Strenge seiner eigenen Regeln bekam der Arzt Menelas Nkeshimana am eigenen Leib zu spüren. Er war nach einem langen Arbeitstag und unendlichen Besprechungen zur Corona-Krise im Auto eines Kollegen auf dem Beifahrersitz eingeschlafen. Die Maske verrutschte während der Fahrt. Prompt hielt die Polizei das Auto an: umgerechnet acht Euro Strafe. In Ruanda ist das eine beachtliche Summe.
Als einer der Leiter der Corona-Taskforce des Landes hatte der 37-Jährige an derartig strengen Regeln mitgeschrieben. Und er erzählt am Telefon durchaus stolz von dem Vorfall, schließlich zeige er, dass die Polizei die Vorschriften auch umsetzt. Wohl kein afrikanisches Land bekommt so viel Lob für seine Bekämpfung der Pandemie. „Ruanda hat unter Involvierung der gesamten Regierung agiert, um Covid-19 unter Kontrolle zu bringen“, schrieb Tedros Ghebreyesus, der Chef der Weltgesundheitsorganisation auf Twitter, „das Land hat dabei die Grundlagen von Tests, Kontaktverfolgung und umfassendem Gebrauch von Maßnahmen der öffentlichen Gesundheit befolgt. Gut gemacht.“
Insgesamt hat sich in Afrika so manche Befürchtung bislang nicht erfüllt. Mit 2,6 Millionen registrierten Fällen und rund 61.000 Toten ist der Kontinent einigermaßen glimpflich davongekommen, auch wenn die Zahlen in den vergangenen Wochen wieder rasant stiegen und sich vielerorts den Werten der ersten Welle näherten. In Europa liegen beide Zahlen bei knapp dem Zehnfachen. Ein wichtiger Grund für die niedrigen Zahlen sind in der Mehrzahl der afrikanischen Länder natürlich die geringen Testkapazitäten. Es liegen bislang auch kaum belastbare Daten zur Übersterblichkeit und damit unbemerkten Corona-Todesfällen vor, wenngleich es zunehmend Hinweise gibt, dass die Zahl der Toten deutlich höher ist als angenommen.
Im Fall Ruandas, das mit 50 Tests pro 1000 Einwohner nach Südafrika am umfangreichsten getestet hat (Deutschland: 381 pro 1000), gilt die Zahl von rund 8000 Fällen und 74 Toten jedoch als vergleichsweise belastbar. Es ist das einzige afrikanische Land, das in diesem Jahr nicht auf der Risikogebietsliste des Robert-Koch-Instituts geführt wurde.
Dass die Regierung in Ruanda unter Präsident Paul Kagame bisweilen autoritäre Tendenzen zeigt, ist kein Geheimnis. Auch damit erklärt sich die Tatsache, dass die Bevölkerung den Anweisungen der Behörden weit mehr folgt als in anderen Ländern. So werden Bürger, die gegen die Einschränkungen des öffentlichen Lebens verstoßen, auch schon einmal in ein Stadion gebracht, wo sie dann – mit gebührlichem Abstand – eine zweistündige Pandemie-Schulung über sich ergehen lassen müssen. „Wer das zweimal pro Woche macht, der lernt seine Lektion schnell“, sagt Nkeshimana.
Doch viele Maßnahmen sind schlicht gut durchdacht. Über Drohnen-Lautsprecher wird die Bevölkerung auch in entlegenen Gegenden informiert. Als Superspreader identifizierte LKW-Fahrer, die Güter aus dem Ausland bringen, werden von Polizeieskorten begleitet und dürfen nur noch an designierten Unterkünften übernachten. Früh wurden die Testkapazitäten ausgebaut, immer wieder werden Zufallstests organisiert, um sich ein Bild über die tatsächliche Infektionslage ein Bild zu machen.
Am Straßenrand werden dann Autos und Fußgänger heraus gewunken zum Test. Verweigern tut das kaum einer, was angesichts der gelinde gesagt strengen Regierungsführung wenig überrascht. „Wenn die Regierung so etwas zur Priorität macht, dann hören auch die Leute ohne hohe wissenschaftliche Qualifikation zu“, sagt Nkeshimana, „da gibt es keinen Widerstand.“
Man lege aber auch Wert auf klare Kommunikation und Transparenz, sagt der der Mediziner. Als in der Nachbarschaft eines Marktes in Kigali die Zahlen stiegen, zeigte er den Händlern auf einer Karte am Laptop, wo und wann es neue Infektionen gab. „Sie haben dann akzeptiert, dass Obst nur noch an Montagen und Fleisch nur noch an Dienstagen verkauft werden darf, um die Abstände zwischen den Ständen vergrößern zu können.“
An den technischen Möglichkeiten hat auch Deutschland etwas Anteil. Seit im Jahr 2018 die Ebola-Epidemie aus dem Kongo über die Grenzen nach Ruanda rüberzuschwappen drohte, laufen verstärkt Kooperationen. So sollen in den kommenden Wochen ruandische Spürhunde mit der Hilfe von Experten und Maschinen der Tierärztlichen Hochschule Hannover zu Corona-Spürhunden ausgebildet werden.
Im September war auch Maximilian Gertler, Epidemiologe der Berliner Charité, in der Hauptstadt Kigali zur Unterstützung der dortigen Behörden im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Der erfahrene Tropenmediziner kam beeindruckt zurück. „Für Länder wie Ruanda ist wegen geringer Möglichkeiten der Behandlung Schwerkranker die Prävention besonders wichtig“, sagt der 46-Jährige am Telefon. Eine Ausbreitung des Virus wie in Europa könnte trotz des geringen Durchschnittsalters der Bevölkerung (20 Jahre) dramatische Folgen haben. Das gilt umso mehr, seit in Südafrika eine Mutation des Virus grassiert, die offenbar stärker als bisher bei jungen und gesunden Menschen ernste Krankheitsverläufe zur Folge hat.
Prävention ist die einzige wirklich nachhaltige Chance. „Es ist trotz der in den vergangenen Wochen wieder steigenden Zahlen ermutigend, mit welcher Konsequenz das passiert“, sagt Gertler. So gebe es zum Beispiel zahlreiche Zentren, in denen auch Patienten mit milden Covid-Symptomen isoliert werden können. „Das passiert in Deutschland viel zu wenig“, sagt der erfahrene Mediziner, der vor der Pandemie auch Einsätze in Guinea, dem Tschad und Tansania hatte.
Der ehemalige deutsche Bundestagsabgeordnete der CDU, Charles Huber, findet, dass die Leistung von Ländern wie Ruanda längst nicht genug Beachtung findet. „Nach all den angekündigten Horrorszenarien den afrikanischen Kontinent betreffend gingen die Verdienste der afrikanischen Regierungen, die trotz schwacher Gesundheitssysteme große Leistungen erbracht haben, so gut wie unter“, sagt Huber, der inzwischen im Senegal lebt und als Sonderberater von Präsident Macky Sall tätig ist.
Huber betont die unverzügliche Entschlossenheit, mit der die Behörden auch dort vorgegangen seien. Das angesehene Magazin „Foreign Policy“ platzierte den Senegal in seinem „Index zur globalen Covid-19-Reaktion“ hinter dem viel gefeierten Neuseeland an Position zwei. Ghana und Kenia wurden hier zuletzt hervorgehoben. Über so etwas werde zu wenig berichtet, sagt Huber.
Der Senegal vermeldete bislang rund 19.000 Fälle und 388 Tote, auch das ist bei 16 Millionen Einwohnern relativ wenig, auch wenn die Zahlen mit 100 Fällen täglich hier in den vergangenen Wochen ebenfalls wieder auf das Niveau des Rekordniveaus vom August stiegen. Huber lobt die Bevölkerung, die sich insgesamt weiter gut und schützend verhalte.Seien es Jugendliche, die an Ortseingängen freiwillig die Temperatur von Besuchern aus anderen Städten gemessen hätten. Oder die unzähligen, ohnehin gesundheitsbewussten Senegalesen, die zusätzlich Sport betrieben hätten, um ihr Immunsystem zu stärken. „Da sah man plötzlich mehr Jogger als Autos“, sagt Huber.
Die Nation fällt aber besonders durch ihre Forschung auf, Präsident Sall will Dakar seit Jahren als Gesundheitssektor für ganz Westafrika etablieren. Das „Institut Pasteur“ verspricht einen nicht einmal einen Euro teuren Antigen-Schnelltest, der nach Angaben der Forscher unmittelbar vor der Marktreife steht.
Es wäre eine wichtige Ergänzung zu den teuren und aufwändigen PCR-Tests, die in Afrika weiterhin knapp sind. Tatsächlich, so ist von Forschern des Instituts hören, erkennt der neue Test Infektionen mit hoher Zuverlässigkeit – allerdings gebe es noch bei zehn bis 20 Prozent der gesunden Probanden zu falschen Positivresultaten.
Bei der Frage der globalen Impfstoffverteilung werden beide Länder trotz aller Anstrengungen wohl vorerst das Nachsehen haben. So bat Ruanda vor einigen Wochen die Charité um Unterstützung beim Aufbau der Impflogistik. Doch das Land hat zumindest in den kommenden Monaten keine Impfstoffe in Aussicht, der Chef der nationalen Gesundheitsbehörde gibt unumwunden zu, dass es dafür schlicht nicht die finanziellen Mittel gibt.
Neun von zehn Menschen aus ärmeren Ländern werden auch im Jahr 2021 nicht geimpft werden können, warnt die Hilfsorganisation „Oxfam“, das betrifft insbesondere die Bewohner Afrikas. Die reichsten Industrienationen haben sich dagegen bislang mehr als die Hälfte der weltweiten Impfstoff-Produktion gesichert. In dieser Frage gilt bislang das Recht des wirtschaftlich Stärkeren.